Thulis schauderte. Die weichen Züge des, auch für das Volk der Hochelfen, hageren Wächters verhärteten sich. Die wunderschöne Hafenstadt Ruliec stand in Flammen. Als Wächter hatte Thulis den Befehl über eine Einheit von Speerträgern und er führte sie nun zum Ursprung der Zerstörung. Vor wenigen Stunden, mitten in der klaren und vorher ruhigen Nacht, hatte es angefangen. Explosionen, immer wieder Explosionen. Dazu das pfeifende Geräusch von in der Luft sausenden Projektilen. Sie hatten die ganze Stadt aufgeweckt. Auch Thulis, welcher sofort seine Truppen sammelte.
Der Hochelf arbeitete sich immer noch mit dem großen Regiment Speerträger durch die Straßen der Stadt. Sie trugen ihre goldenen Rüstungen, über den feinen Leinen. Beides reflektierte die züngelnden Flammen der brennenden Häuser, die sie passierten. Eigentlich war Thulis samt seinen Speerträger für die Sicherheit des Adelsviertel verantwortlich, doch er wusste, dass alle Kräfte am Hafen gebraucht wurden. Denn von dort kamen die Geschosse.
Je näher sie dem Hafen der Stadt kam, desto mehr der Gebäude standen in Flammen oder waren gar ganz zerstört. Auch sah er nun die ersten Opfer des Angriffs. Unschuldige Elfen, welche durch die Projektile, oder den eingestürzten Gebäuden ihr Leben verloren hatten. Wut stieg in Thulis auf. Wer attackierte Ulthuan? Waren es die dunklen Diener des Hexenkönigs? Oder die barbarischen Menschen, welche den Chaosgöttern ergeben waren? Immer schneller trugen ihn seine Füße vorwärts und seine Speerträger mussten sich beeilen mit ihm Schritt zu halten. Schließlich konnten sie das Hafenviertel erreichen.
Geschockt hielt das Regiment in seinem Weg inne und Thulis verstärkte den Griff auf seinem Schwert. Was sie dort sahen, raubte ihnen den Atem. Riesige Schiffe, mit einer Fassade aus dunklem Eisen schwammen vor dem Hafen. Ihre gigantischen Schornsteine trieben dunklen Rauch in den Himmel. Ununterbrochen flogen brennende Geschosse, aus Kanonen deren Mündung die Größe eines ausgewachsenen Elfen überstieg, von den Schiffen auf die Stadt hernieder. Die meisten der zierlichen Elfenschiffe im Hafen waren schon versenkt worden und an ihrer Stelle befanden sich kleinere Versionen der stählernen Monster im Hafen. Sie schienen sich mit Rädern, ähnlich der an Wassermühlen angebrachten, im Wasser voranzutreiben. Und jedes dieser Boote, sobald es den Bug erreicht hatte, ergoss eine Unzahl an Angreifern aus.
Thulis trat einen Schritt voran, als er den Feind erkannte. Zwerge! Chaoszwerge! Seine Augen verengten sich. In dunkles Metall gehüllt mit dämonischen Fratzen an Helm und Panzer verziert marschierten sie über die verzierten Pflastersteine des Hafens, ihre scharfkantigen Waffen schwingend und wild brüllend. Und sie waren nicht allein. Grünhäutige Wesen begleiteten sie. Thulis konnte in ihnen die Hobgoblins erkennen, von denen er bereits gelesen hatte. Es waren Verwandte der Goblins, jedoch größer, stärker und hinterlistiger.
„Verteidiger Ruliec’s! Kinder Ulthuans! Macht euch bereit! Schlagt sie zruück!“
Die Speerträger nahmen eine Kampfposition ein. Die ersten Gegner, die auf sie trafen, waren die Hobgoblins, welche vom Feuer und Morden in einen Blutrauch verfallen waren. Auf Riesenwölfen reitend kamen sie angehetzt und ritten genau auf dem Speerwall zu. Thulis konnte den Speichel erkennen, der Wolf, wie auch ihren Reitern aus dem Mundwinkel hing. Sie schienen vom Wahnsinn übermannt zu sein, in die Wand aus Speeren zu laufen. Wie eine Welle brandeten sie auf das Regiment. Viele fanden ihr Ende in den Speerklingen der Elfen, jedoch schafften es einige diesen zu entgehen oder sie ließen sich von ihren Wunden nicht zurückdrängen. Sie hieben mit ihren krummen und schartigen Schwertern wie wild um sich. Von diesen Hieben fanden wenige ihr Ziel, die meisten prallten wirkungslos an den hohen Schilden der Elfen ab, während aus den hinteren Reihen immer wieder Speerklingen tief in die Körper der Hobgoblins oder Wölfen drangen.
Auch Thulis hielt blutige Ernte. Mit seinem Schwert hatte er einem der Wölfe in das Gesicht geschlagen, worauf dieser, als er sich aufbäumte, von zahlreichen Speeren durchbohrt wurde. Den Reiter, der zu Boden fiel, erledigte Thulis mit einem schnellen Stich in den Brustkorb. Mit einem Ächzen hauchte die Grünhaut ihr Leben aus.
Schließlich überstieg der Überlebensinstinkt den Blutrausch und die Grünhäute zogen sich zurück. Viele starben noch, von hinten mit Speeren durchbohrt. Als die Wolfsreiter außer Reichweite war, sah Thulis dass er schon drei Männer verloren hatte.
„Weiter, verjagen wir diese Wesen aus unserer Heimat!“ befahl er und sein Regiment folgte ihn direkt zum Hafenplatz. Dort war die Seewache bereits in heftige Kampfhandlungen verwickelt. Ihre Speerträger versuchten verzweifelt Straßendurchgänge gegen die Überzahl an Grünhäuten und Chaoszwergen zu halten. Hinter den hohen Schilden geschützt stachen sie immer wieder mit ihren langen Speeren nach den Eindringlingen. Doch für jeden der fiel, nahmen zwei seinen Platz ein. Bogenschützen unterstützten sie von den Häusern und Dächern der Gebäude aus, indem sie tödliche Salven auf ihre Gegner nieder regnen ließen. Immer wieder versuchten Hobgoblins die Wände hochzuklettern, doch sie landeten meist mit einem Pfeil im Körper wieder auf dem Boden. Thulis wollte der Seewache zu Hilfe eilen, aber es näherten sich schon die nächsten Gegner. Diesmal waren es keine Grünhäute… jedoch auch keine Zwerge. Zumindest glaubte Thulis nicht, dass diese Gestalten Zwerge waren. Sie hatten zwar den Oberkörper solcher, anstatt aber auf zwei Beinen zu laufen, hatten diese fremdartigen Wesen den Unterkörper eines Stieres.
Und sie stürmten in die Richtung von Thulis und seinem Regiment. Mit jedem Satz, den sie sich seinem Regiment näherten, beschädigten ihre schwere Hufe den Pflasterboden des Hafens. Die brennenden Gebäude warfen ein gespenstisches Licht ihre Gesichter. Die gelockten Bärte wogten wie Feuer in ihrem Gesicht und ihre wilde Schreie ließen das Blut in den Adern erfrieren. Thulis schluckte schwer, als sie kurz vor ihnen waren.
Ihr Aufprall in das Speerträgerregiment war verheerend. Mit ihren riesigen Waffen pflügten sie durch die Gruppe der Elfen. Schild, Rüstung oder Helm waren ihrer Kraft nicht gewachsen. Die schweren Hufe zertrümmerten Schädel und Brustkörbe. „Standhalten!“ rief Thulis, der einer der geschwungenen Riesenäxte knapp ausweichen konnte. Den folgenden Stoß des Hufes konnte er nur mit seinem Schild abwehren, was ihn jedoch weit nach hinten warf und seinen Arm brach. Dabei prallte er auf einige seiner Krieger. Der kunstvoll gearbeitete Schild war kräftig zerbeult und der Stierzwerg schon über ihn mit erhobener Waffe. Die niederkrachende Axt konnte jedoch nur den Hafenboden beschädigen, da Thulis sich geradeso noch zur Seite rollen konnte. Dabei protestierte sein Arm mit einer Welle des Schmerzes. Einen Teil seines Seidenmantels musste er von der Axt zerteilt zurücklassen, während sich mehrere Speerspitzen in den Stierleib bohrten. Nun konnte Thulis in die Offensive gehen. Während der Stierzwerg noch seine Axt vom Boden hievte, stach Thulis zu. Er zielte auf das Herz des Wesens, dieses konnte jedoch den Stich mit seinem Arm abfangen. Tief bohrte sich das Metall in den Muskel des Wesens und das schmerzerfüllte Brüllen war ein kleiner Triumph für Thulis.
Inzwischen konnten die Speerträger auch ihre Überzahl ausspielen und zahlreiche Speerklingen stachen immer wieder aus den hinteren Reihen in die Leiber der Stierzwerge. Jedoch drangen die Spitzen nicht tief durch die dicke Haut. Thulis’s Widersacher wurde aber in dieser Weise zurückgedrängt, was ihm eine Verschnaufpause gönnte, während der Stierzwerg mit seiner Waffe nur die Speerspitzen auf Distanz zuhalten versuchte.
In diesen Augenblick hörte Thulis ein Horn, welches ihn innerlich jubeln ließ. Mit neuen Mut durchfüllt, befahl er seinen Männern standzuhalten. Kurz danach preschten Elfen in schweren Rüstungen, hoch zu Ross, in die Flanke der Stierwesen.
Es war die Adelige Kavallerie der Stadt, die Silberhelme. Ihre Lanzen bohrten sich tief in die Körper der Monster und viele fielen dem Angriff zum Opfer. Dies brach deren Willen endgültig und sie stoben davon, verfolgt durch die Silberhelme.
Thulis nutzte diese Verschnaufpause um die Lage einzuschätzen. Von seinem Regiment, welches Anfangs 35 Krieger zählte, waren nur noch 18 kampffähig. Viele waren im Kampf gegen die Stierzwerge gefallen. Die Silberhelme hatten sie wohl gerettet. Inzwischen kämpften sie gegen ein Regiment, welches aus Chaoszwergen mit schweren Rüstungen und großen Schilden bestand und es sah so aus, als würden sie langsam umzingelt werden. Thulis konnte auch erkennen, dass inwzischen schon viele Straßeneingänge in die Stadt gefallen waren und vor allem die Hobgoblins strömten mordlüstern nun in die Richtung der Wohnviertel, über die Leichen der Verteidiger.
Thulis fluchte. Er hoffte nur, dass die Bewohner der Stadt sich inzwischen zum Tempel des Asuryan retten konnten und die dortige Phönixgarde ihr Schutz bieten konnte. Wütend wollte er soeben einen Befehl geben, die Silberhelme zu unterstützen, um ihre Hilfe auszugleichen als es einen Einschlag gab.
Eine Explosion erfolgte und eine große Druckwelle schleuderte die Elfen des Regiments durch die Luft. Thulis verlor kurzfristig das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, rauschte es in seinen Kopf. Im Hintergrund konnte er aber noch die Explosionen, das Treffen von Stahl auf Stahl, sowie die Schreie der Verwundeten und Sterbenden hören.
Thulis sammelte all seine Kraft um wieder zu sich zu kommen. Er bemerkte, dass er seinen Helm verloren hatte. Blut floss aus einer Wunde an seiner Stirn. Als er versuchte, aufzustehen, verspürte er einen heftigen Schmerz an der Hüfte. Mühsam stemmte er sich hoch, wobei er an den Überresten einer Statue des Aenarion sich halt fand. Schwer atmend hielt er sich am Bein der Statue fest. Von dem einst glanzvollen Antlitz, stand nur noch eben jenes ganzes und ein halbes Bein. Thulis hielt nach seinem Regiment Ausschau, konnte aber nur tote, von der Explosion teilweise zerrissene Körper finden.
Die Chaoszwerge hatten inzwischen den Großteil ihrer Armee an Land bringen können und die verzweifelnden Hochelfen wurden wütend immer weiter zurückgedrängt. Man hatte inzwischen von den wenigen noch verteidigten Straßendurchgängen abgelassen und drängte durch die schon offenen Lücken in die Stadt. Nur einige Chaoszwerge mit seltsamen geformten Rohren schossen mit diesen auf die Verteidiger und forderten einen hohen Blutzoll. Nach jeder ohrenbetäubender Salve fielen zahlreiche Elfen zu Boden.
Thulis wusste, dass die Stadt verloren war. Er hoffte nur, dass inzwischen Boten zum Prinzen dieses Landes unterwegs waren. Solch einen Gegner konnte man nur einer große Armee des Prinzen besiegen, alles andere wäre Hoffnungslos.
Einer der grünhäutigen Wolfsreiter hatte den verletzten Thulis mit einem bösartigen Grinsen entdeckt und stürmte auf ihn zu. Thulis nahm seine Kraft zusammen und machte sich Kampfbereit. Er wollte so viele dieser Kreaturen noch mit in den Tod nehmen, wie es ihm möglich war. Seine Hüfte, wie auch sein gebrochener Arm pochte, als der Hobgoblin immer näher kam. Wenige Meter von Thulis entfernt sprang der Wolf ab. Thulis reagierte sofort und ließ sich nach vorne fallen. Der Wolf flog über ihm hinweg, als Thulis sich drehte und mit hochgehaltenem Schwert so den Leib der Bestie aufschlitzte. Gewandt sprang der Hobgoblin von seinem Reittier ab, während der Wolf gegen den Sockel der zerstörten Statue prallte. Mit einem rostigen Messer gezückt sprang die Grünhaut auf dem in Wolfsblut getränkten Thulis zu, worauf dieser ihm sein Schwert entgegenhielt, so dass die Grünhaut sich durch ihren Schwung und Gewicht selbst aufspießte. Geifernd traten dem Hobgoblin beinahe die Augen aus den Höhlen, als sich sein Gesicht kurz vor dem des Elfen stoppte.
Schwer atmend stieß Thulis den leblosen Körper von sich weg. Wieder kam er mühsam hoch, mit unbrauchbaren Arm und schmerzhafter Hüfte. Dann sah er, dass ihm in einiger Entfernung ein Chaoszwerg entgegenstand. Zum ersten Mal konnte er einen der ihren genau Betrachten. Sein dichter, schwarzer Bart war in kunstvollen Zöpfen gedreht und er trug einen hohen, mehrmals gehörnten Hut, welcher mit dunklen Runen versehen war. Einer seiner Unterzähne ragte ungewöhnlich lang aus der Unterlippe hervor, ähnlich eines Hauers. Die Nase war lang und krumm und eine Warze thronte auf ihr. Thulis konnte keine Waffe, bis auf einen kleinen Dolch am Gürtel, erkennen. Er streckte unter Schmerzen herausfordernd sein Schwert in die Richtung des Zwerges.
Diesen entlockte dies nur ein bösartiges Grinsen. Finstere Worte murmelnd bewegte der Chaoszwerg seine Hände in beschwörender Weise. In diesem Moment wurde Thulis sein Schicksal klar. Er wusste, dass er es in seinem Zustand nicht schaffen würde, den Magier zu erreichen, bevor der Zauberspruch beendet war. Geschlagen senkte er sein Schwert und ließ seinen Blick ein letztes Mal über seine geliebte Stadt schweifen. Er sah wie die Silberhelme inzwischen umkreist worden waren und jeder Mann für Mann von den Chaoszwergen aus dem Sattel geholt und erschlagen wurde. Auch die Pferde wurden brutal mit Äxten und Keulen geschlachtet.
Thulis sah auch, dass die letzten Verteidiger der Straßeneingänge tot am Boden lagen, die Waffen und Standarten noch in der Hand, als hätte selbst der Tod ihren Willen nicht brechen können.
Und zuletzt traf sein Blick die zerstörte Statue des Aenarion.
Das war das letzte, was Thulis, Wächter des Speerträgerregiments aus dem Adelsviertel in Ruliec erblickte, bevor magische Flammen in verzehrten. Das Letzte was er hörte, waren neben dem Kriegslärm das hysterische Lachen des Chaoszwergs.
…
…….
Prinz Caradian überblickte traurig den zerstörten Hafen. Ausdruckslos schritt der hoch gewachsene Elf über den an manchen Stellen aufgesprungenen Pflasterboden. Er war eben erst mit seinem Entsatzheer eingetroffen und fand nun nur Tod und Zerstörung vor. Die Spuren zeugten von einem schrecklichen Kampf. Der Hafen lag in Schutt und Asche, der Boden gesäumt von toten Körpern. Viele Elfen waren gefallen als sie ihr Leben der Verteidigung Ruliex’s gaben. Caradian ließ seinen Blick über den Horizont schweifen.
Nur im Tempel des Aenarion gab es einige wenige Überlebende. Die Phönixgarde konnte den Tempel halten, bis sich der Blutdurst der Angreifer gestillt hatte und sie sich zurückzogen. Caradian wusste, dass sich in den Schiffen der Angreifer Hunderte von Elfen befanden.
In Ketten. Sie würden nun ein Leben als Sklaven der Chaoszwerge führen, falls er nichts unternehmen würde. Er überlegte, ob er die Schiffe der Chaoszwerge einholen könnte. Wahrscheinlich würde sich dies schwierig gestalten, da diese nicht von Wind oder Wetter abhängig waren.
Tief atmend senkte Caradian den Blick vom Ozean zum Boden. Dort fand er einen seltsamen Fleck, welcher aus einer Art von Brandspuren zu bestehen schien. Von diesem Punkt stieg sein Blick auf die ehemalige Statue von Aenarion. Nur noch ein Bein und ein Halbes standen dort. Langsam führte er seine Hand an die zerstörte Statue. Der Marmor hatte eine angenehme Wärme in der Sonne erreicht.
Diese Wärme gab dem Prinzen neuen Mut. Prinz Caradian atmete tief durch und zog seine Hand dann langsam zurück. In einer flüssigen Bewegung zog er nun sein Zweihandschwert vom Rücken. Herausfordernd reckte er es der See entgegen, wo es in der Sonne herrlich schimmerte.
In diesem Augenblick schwor er sich die gefangenen Elfen zu befreien, und wenn er dafür bis in die verfluchten Länder der Chaoszwerge reisen und ihre Ketten mit eigenen Händen öffnen müsste. Er wusste, er stellte die einzige Hoffnung dar, die den Elfen in den dunklen Bäuchen der Schiffe blieb. Und er würde sie nicht im Stich lassen…